Die Idee zu einer Führung durch den Waldfriedhof brachte eine DAAD-Alumna auf, und an einem frostigen Samstag im Januar 2019 begab sich eine Gruppe von 16 DAAD-StipendiatInnen und –Alumni/-Alumnae von vier Kontinenten samt Kind im Buggy auf einen Rundgang durch Münchens weitläufigsten Friedhof, einen der größten in Deutschland. Einige DAADler wohnen in der Nähe und fanden es spannend, mehr über ihre Umgebung zu erfahren. Wir alle waren neugierig auf den Waldfriedhof als Ausgangspunkt für einen ungewöhnlichen Blick auf münchner Stadtgeschichte und darüber hinaus.

Der Waldfriedhof, als einer von vier neuen Friedhöfen nach Plänen von Stadtbaurat Hans Grässel am (damaligen) südwestlichen Stadtrand errichtet und 1907 eröffnet, wurde zum wegweisenden Modell für Friedhofsgestaltungen in ganz Europa. Waldfriedhof heißt, die Grabstätten sind so in die Umgebung eingebettet, dass der Waldcharakter des Geländes weitgehend erhalten bleibt. Der Wald, in dem der Münchner Waldfriedhof angelegt wurde, gehörte früher zum Wittelsbacher-Schloss Fürstenried. Da die Wege verschlungen angelegt sind, kann man sich hier leicht verlaufen.

Dies verhinderte unser Guide, ein Kunsthistoriker. Er gab uns interessante Einblicke in verschiedenen Aspekte der Friedhofsgestaltung, von der ursprünglich vorgeschriebenen Beschränkung auf vergängliche Materialien, die zu malerisch verfallenden Grabstätten führte, die Bedeutung der christlichen Symbole bis hin zur vorgegebenen Aufteilung in verschiedene Areale mit Erd- und Urnengräbern, Gräber mit Holz-, Metall- und Steinmarkern u. a. Für eine Reihe von TeilnehmerInnen, die teilweise ganz andere Begräbnisformen kennen, eröffneten sich spannende Einblicke in einen weniger bekannten Aspekt deutscher Kultur.

Für Schmunzeln sorgten schöne Mottos auf den Grabsteinen wie „Der Tod ist schwer, das Leben ist schwerer“ und der nicht mehr übliche Brauch, bei bessergestellten Verstorbenen die Berufsbezeichnung mit anzugeben, bei Frauen mit dem Anhängsel „–gattin“. Besonders gut gefiel uns der„Kunstglockengießereibesitzer“.

Sozialer Status drückte sich natürlich auch durch die Größe und Bauweise eines Grabmals aus. Eines der imposantesten war ein Mausoleum für einen Marinearzt, der in Deutsch-Südwestafrika tätig war. Dieses Bauwerk nahm ein Thema vorweg, das wir in nächster Zeit bei einer Stadtbegehung wieder aufgreifen, den deutschen Kolonialismus.

Sehr interessiert war die Gruppe an den Gräbern der zahlreichen regionalen und überregionalen Prominenz. Wir besuchten die Gräber von Berühmtheiten wie Frank Wedekind (Autor), Franz von Stuck (Münchner Malerfürst), Max Reger (Komponist) und Alfons Goppel (bayerischer Ministerpräsident) und lernten dabei auch über Münchner Politik- und Kulturgeschichte.

Weitere Gräber von bekannten Persönlichkeiten (Leni Riefenstahl, Werner Heisenberg, Carl von Linde, Prof. Kurt Huber/Weiße Rose, Admiral von Tirpitz u.a.) aufzusuchen, verschoben wir auf einen wärmeren Zeitpunkt. Nach fast zwei Stunden Rundgang waren wir ziemlich durchgefroren. Zwar schien die Sonne, sie drang aber kaum durch die hohen Bäume. Fast alle Teilnehmer kamen noch zum Aufwärmen bei Tee und Keksen zu Kontaktmitglied Sibylle nach Hause mit, die in der Nachbarschaft wohnt.

Sibylle Wahl, Regionalgruppe München

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