Nicht von ungefähr erzielt München in puncto Lebensqualität eine Top-Platzierung im jüngsten QS Best Student Cities Ranking. Wo hat man das schon – exzellente Unis, Kultur zuhauf, Berge und Seen in geringer Entfernung und leicht zu erreichen. Gerade in Corona-Pandemiezeiten drängen sich Freiluft-Unternehmungen förmlich auf. So ziemlich jede und jeder hat genug von Online-Veranstaltungen. So offenbar auch die Münchner DAAD-Stipendiatinnen und -Stipendiaten, die sich stets in großer Zahl zu unseren Wanderungen und Ausflügen anmelden.
Das Karwendel mag nicht die höchsten Berge der Alpen bieten, es ist kein Dreitausender dabei, aber die typischen steilen Felsformationen in dieser Gebirgsgruppe sind besonders beeindruckend, und es ist Lebensraum für viele seltene Pflanzen und Tiere.
Fast das gesamte Karwendelmassiv ist ein Naturpark. Mit einer Fläche von 727 km² ist es das größte Schutzgebiet in Tirol und der größte Naturpark Österreichs – der Großteil des Karwendels liegt in Österreich.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind die Ausgangspunkte für die vielen tollen Touren teilweise schlecht zu erreichen. Aber den Sommer über gibt es erfreulicherweise den Bergsteigerbus, der jetzt mit erweitertem Fahrplan von Lenggries südlich von München aus über eine der schönsten Straßen Deutschlands in die Eng/Tirol fährt, vorbei am Sylvenstein-Speichersee.
Nach einigen Wanderungen rund um meinen Wohnort Lenggries organisierte ich als begeisterte Bergwanderin im Juli und August 2021 zwei wunderbare lange und durchaus anstrengende, aber ungefährliche Touren im Karwendel für Corona-kompatible zehn bzw. elf Personen.
Die erste Tour begann im Tiroler Hinterriß und führte bis auf über 1800 m Höhe hinauf. Ein starker Regenschauer war beim Aussteigen aus dem Wanderbus gerade vorbei, und nach einem kurzen Stopp im Informationszentrum marschierten wir zunächst auf einem Fahrweg durch Wälder am Bach entlang zur ersten Alm.
Von hier nahmen wir den zunehmend steileren Steig hinauf zur Torscharte, dem höchsten Punkt der Wanderung mit spektakulärer Aussicht auf die umliegenden Steilwände.
Später wanderten wir auf der anderen Seite des Bergs wieder hinunter Richtung Hinterriß.
Unterwegs gab es keine Einkehrmöglichkeit, die gesamte Verpflegung musste mitgetragen werden. Dafür hatte die Route den Vorteil, wenig begangen zu sein. Wir hatten die ganze schöne Bergwelt samt neugierigen Kühen für uns. Etwa eine halbe Stunde regnete es leicht auf dem Rückweg, was ein Teilnehmer sogar positiv kommentierte. Per Bus und Zug ging es auf dem gleichen Weg zurück nach München.
Zur zweiten Wanderung erschienen tatsächlich alle Angemeldeten – bei der ersten hatte einer verschlafen. In Lenggries wurde die Gruppe wieder von mir in Empfang genommen und wir bestiegen den Bergsteigerbus. Nach ca. 35 km Fahrt war der Startpunkt der Tour erreicht und wir folgten bei wunderschönem Wetter – dies war die erste unserer Wanderungen mit 0% Regenwahrscheinlichkeit – zunächst dem Wirtschaftsweg zur Laliderer Alm, von wo aus der Steig zur 1848 m hoch gelegenen Falkenhütte führt. Das in mehrjähriger mühseliger Arbeit neu renovierte Gebäude mit der historischen Stube konnte bei einer Einkehr auch von innen in Augenschein genommen werden. Weiter ging es dann unterhalb der fürs Karwendel typischen schroffen Felswände zum Hohljoch, wo wir nochmals ausgiebig Brotzeit machten. Auf einem schmalen Weg durch Almen, vorbei an gutmütigen Kühen (einem beliebten Fotomotiv) liefen wir dann hinunter zur Eng mit dem berühmten Ahornboden.
Bei beiden Wanderungen hielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt gut durch, trotz anspruchsvoller Route, und obwohl nur wenige Bergerfahrung mitbrachten und einige suboptimale Schuhe trugen.
Beide Wanderungen boten unerwartete Spannung, die aber nicht die gute Laune beeinträchtigte. Beim ersten Mal hatte ein Teilnehmer versäumt, rechtzeitig einen Corona-Test machen zu lassen – ein negatives Testergebnis ist für die Einreise nach Österreich erforderlich, sofern man nicht genesen oder geimpft ist. Gelegenheit, den Test nachzuholen, war nur in Lenggries. In 19 Minuten die Gruppe vom Zug zum Bus zu lotsen, den Testlosen zum Schnelltest auf der anderen Seite des Bahnhofs und wieder zurück zu bringen, war eine sportliche Herausforderung. Die Blitzaktion wurde dadurch gekrönt, dass der Wanderer sein Ergebnis auf dem Handy noch vor dem Grenzübertritt erhielt. Am Schluss kam die etwas bange Frage auf, ob das Wetter noch bis zur Abfahrt des Zuges halten würde. Das Timing war perfekt: Kaum setzte sich der Zug in Bewegung, regnete es in Sturzbächen.
Bei der zweiten Wanderung wartete und wartete die Gruppe zunehmend unruhig auf den letzten Bus retour. Was war nur los? Eine andere Möglichkeit, zurück zum Bahnhof zu kommen, gibt es nicht. Der Bus kam schließlich mit über einer Stunde Verspätung – wie sich herausstellte wegen einer Baustelle am Sylvensteinspeicher. So wie die DAADler sich die Wartezeit mit Ratespielen vertrieben hatten, stimmten sie auf dem Rückweg im Bus muntere Lieder an. Denn wieder gab es Verspätung, so dass die Gruppe trotz des abenteuerlichen Fahrstils des Busfahrers in Lenggries nur mehr die Rücklichter ihres Zugs nach München sah. Jedoch war im Biergarten der dem Bahnhof gegenüber gelegenen Gastwirtschaft Live-Musik geboten, und auch das Angebot an Getränken und Speisen zu moderaten Preisen wurde gern angenommen. Erst gegen 23 Uhr war die Gruppe zurück am Münchner Bahnhof, müde, aber sehr zufrieden.
Die nächste Wanderung im Karwendel ist schon in Planung.
Annette Schörner, Regionalgruppe München
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