„Dachauer Prozesse – Verbrechen, Verfahren und Verantwortung”
Während die Nürnberger Prozesse nach dem 2. Weltkrieg weltweit auf große Aufmerksamkeit stießen, sind die umfangreichen Dachauer Prozesse weitgehend unbekannt. Zusätzlich zur jährlichen Führung für Münchner DAAD-Geförderte durch die KZ-Gedenkstätte Dachau besuchten wir im März 2024 die Sonderausstellung „Dachauer Prozesse – Verbrechen, Verfahren und Verantwortung”. Leider sind Kriegsverbrechen ein ungebrochen aktuelles Thema.
Die Führung bot den teilnehmenden 20 aktuellen und ehemaligen DAAD-Geförderten die Möglichkeit, sich mit der Geschichte der Dachauer Prozesse und ihrer Bedeutung im Kontext der deutschen Nachkriegszeit intensiv auseinanderzusetzen. Die Anklagen umfassten Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Mitgliedschaft in kriminellen Organisationen wie der SS und der Gestapo. Ebenso wurden Verbrechen gegen gefangene alliierte Soldaten und Zivilisten außerhalb der Lager vor Gericht verhandelt.
In den Dachauer Prozessen wurden 1.672 Personen in insgesamt 489 Verfahren verurteilt. In sechs Hauptverfahren wurden Mitarbeiter der Lager und Gefängnisbeamte der Konzentrationslager Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Mauthausen und Mittelbau-Dora sowie des Satellitenlagerkomplexes Mühldorf in Dachau angeklagt und vor Gericht gestellt. Die Verhandlungen gegen die Führungsschicht des Konzentrationslagers Dachau fanden dagegen eher in Nürnberg statt.
Der Hauptprozess auf dem Gelände des KZ Dachau war der erste von der US-Armee durchgeführte Prozess dieser Art und diente als Modell für nachfolgende Verfahren. Diese erstreckten sich von November 1945 bis August 1948, als die westdeutsche Justiz die Verantwortung übernahm. Trotz zahlreicher Ermittlungen kam es in diesen Verfahren nur zu wenigen Strafverfolgungen.
Eine zentrale Frage in den Prozessen war, ob Funktionshäftlinge, die ursprünglich selbst Gefangene waren, vor Gericht gestellt werden konnten. Dies stellte das Konzept des „gemeinsamen Vorgehens” in Frage, das sich auf die Rolle der Angeklagten in der Maschinerie des NS-Regimes und nicht auf individuelle Taten konzentrierte. Wir haben darüber diskutiert, ob sowohl die brutalen Funktionäre als auch diejenigen, die versuchten, den Gefangenen womöglich zu helfen, ähnlich behandelt werden sollten. Eine weitere Frage, die sich aus dieser Diskussion ergab, war, auf welchen Gesetzen diese Prozesse beruhten. Wir sprachen auch über die komplexe Position amerikanischer Anwälte, die sich plötzlich als Verteidiger ihrer ehemaligen „Feinde” wiederfanden, und versuchten, uns ihre Rolle in den Dachauer Prozessen vorzustellen.
Darüber hinaus erfuhren wir, dass einer der bedeutendsten Prozesse in Dachau der Ärzteprozess war, bei dem Ärzte, die an medizinischen Experimenten in Konzentrationslagern beteiligt waren, vor Gericht gestellt wurden. Beispielsweise wurde Professor Dr. Claus Schilling wegen Malariaexperimenten zum Tode verurteilt. Wir lernten auch, dass nicht nur Männer Täter waren. Dr. Erika Flocken, die Leiterin des Außenlagers Mühldorf, wurde beispielsweise in Dachau vor Gericht gestellt.
Während des Rundgangs über das KZ-Gelände gedachten wir der Opfer. Die Ausstellung zu den Dachauer Prozessen war emotional herausfordernd, gleichzeitig erinnerte sie uns daran, wohin Polarisierung, Ausgrenzung und Hass führen können. Wir dachten über Gerechtigkeit nach und stellten uns der Tatsache, dass die Einhaltung der Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit ist.
Pınarnaz Eren und José Garcia, Regionalgruppe München
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