Bericht zum Programm „Deutschland hautnah“
Dass wir mal bei Schlagermusik in einem Bierzelt auf dem Cannstatter Wasen sitzen würden, hätten wir uns vor dem Besuch von Lucy – einer Stipendiatin aus Kenia – auch nicht träumen lassen!
Auf dem „Schwarzmarkt“ vor dem Zelt „Göckeleswirt“ ergatterten wir die begehrten Eintrittsbändchen sowie die Jetons für immerhin drei Maß Bier pro Person und ein Grillhähnchen. Statt Bier tranken Frank und ich Apfelsaftschorle, während Lucy tapfer die Hälfte eines Maßkruges leerte. Immerhin konnten wir die restlichen 6 Jetons am Ende an gesangs- und bierfreudige Zeltbesucher verhökern.
Wir fanden es sehr lustig, dass Lucy es in ihrem Bericht als glücklichen Zufall darstellte, dass sie ausgerechnet zu diesem traditionellen Fest in Stuttgart weilte. Dirndl und geflochtene Zöpfe der Damen sowie Lederhosen und karierte Hemden der Herren wurden als authentische Tracht bewundert, während wir Gasteltern (in dieser Generation sind wir mittlerweile…) uns mit dieser Art von „Volksfest“ nicht so recht identifizieren können und hofften, niemandem aus unserem Bekanntenkreis zu begegnen.
Da wir nicht aus dem Schwabenland sind, kochen wir auch nicht schwäbisch (auch wenn wir zu absoluten Maultaschenfans konvertiert sind). Am ersten Abend, als Natascha aus Weißrussland uns besuchte, servierten wir ein marokkanisches Gericht, das aber mangels einer traditionellen Tajine im Römertopf geschmort wurde. Vielleicht war dieses Tongefäß der Grund, weshalb Natascha dieses Dinner als typisch deutsch in ihrem Bericht erwähnte.
Pflichtprogramm für einen Besuch in Stuttgart ist immer auch das Mercedes-Benz-Museum, nicht zuletzt deswegen, weil es parallel zur Entwicklung des Automobilbaus die Ereignisse der Weltgeschichte erzählt. Beide Stipendiatinnen interessierten sich dort für vollkommen unterschiedliche Aspekte: Für Natascha waren es z. B. die russischen Zwangsarbeiter und der Mauerfall, für Lucy die Gründung der Vereinten Nationen.
Was hat uns bewogen, an dem Programm teilzunehmen? Wir beide haben mehrere Jahre im Ausland gelebt – als Mathematikdozent in Teheran bzw. als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache in London – und durften die Gastfreundschaft in anderen Ländern erleben. Nun konnten wir erfahren, wie Deutschland aus den Augen eines Gastes einer anderen Kultur – quasi aus der Außenperspektive – gesehen wird und durften uns bis dahin unbekannte Dinge erleben. Gleichzeitig bot sich uns als Gastgeber die einmalige Chance, die Kultur der Stipendiatinnen näher kennen zu lernen.
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