Führung durch das ehemalige Krematorium in Berlin-Wedding

Mit einer bunten Gruppe von Stipendiatinnen und Stipendiaten haben wir uns am 29. August auf eine kommentierte Führung durch das ehemalige Krematorium im Berliner Ortsteil Wedding begeben. Dieser denkmalgeschützte Bau, der seit 2015 unter dem Namen silent green Kulturquartier als ein unabhängiger Kulturstandort fungiert, war 1912 als das erste Krematorium in Berlin und das dritte in Preußen in Betrieb genommen.

Das Gebäude des ehemaligen Krematoriums spiegelt aus der ungewöhnlichen Perspektive der Feuerbestattung nicht nur die Geschichte Berlins, sondern auch die Geschichte Deutschlands wieder. Auf dieser Art konnten die Teilnehmenden u.a. von der Feuerbestattungsbewegung des 19. Jahrhunderts, von der Kremation als einem Symbol der progressiven Politik der Zwischenkriegszeit und von der Rolle der Feuerbestattung im NS-Deutschland erfahren.

Auf der einen Seite wurde nach 1933 das Weddinger Krematorium in eine arische Kultstätte umgedeutet, andererseits wurde das Gebäude zu machtpolitischen Zwecken missbraucht. So wurden hier die Leichname mehrerer Regimegegner wie Carl von Ossietzky oder Claus Schenk von Stauffenberg für die Nachwelt vernichtet.

Von diesem nationalsozialistischen Erbe unbetroffen fungierte das Krematorium bis zu seiner Schließung im Jahr 2003 weiter. Nach einer zehnjährigen Pause wurde das Gebäude gekauft, restauriert und zu einem Ort für Lesungen, Musik, bildende Kunst und Filme umgewandelt. (Martin Konvička)